SynergieeffekteSynergie von Photovoltaik und Dachbegrünung

Das Klimaschutzgesetz von Baden-Württemberg spricht von einer „bestmöglichen Pflichterfüllung, einem Einklang“ von Photovoltaik, bei einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Dachbegrünung.1 Die Erwärmung unserer Innenstädte ist ein Umstand, der u. a. auf die enorme Flächenversiegelung der Innenstädte zurückzuführen ist. Niederschlagswasser wird über die Kanalisation schnell abgeführt, sodass das Wasser zur Verdunstung und Kühlung der Umgebung nicht mehr zur Verfügung steht.

Daher sollte eine Kombination von Begrünung und Solarnutzung als Synergieeffekt verstanden werden. Begrünte Dächer und begrünte Fassaden bewirken eine Reduzierung der Umgebungstemperatur durch die Verdunstung des zurückgehaltenen Regenwassers, nehmen CO2auf, binden Feinstaub und bieten Lebensraum für Kleinstlebewesen und damit eine hohe Biodiversität/Artenvielfalt.2
Durch eine Dachbegrünung ist im Vergleich zu einem Bitumen- und Kiesdach eine bis zu 25 °C geringere Oberflächentemperatur gewährleistet2 und damit eine positive Wirkung auf die Solarzelle, deren Wirkungsgrad mit zunehmenden Temperaturen abnimmt (siehe Kapitel C4.1 Leistung und Ertragsprognosen). „In Bezug auf einen Temperatur-Koeffizienten von 0,5 %/K (Bsp. Kristallin) kann ein Solarmodul über einer Dachbegrünung eine 4–5 %tig höhere Leistung (0,5 %/K * 8 K = 4 %) im Vergleich zu einem Bitumendach erzielen2.“

Quellenangaben

  1. Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg (KSG BW); vom 23. Juli 2013
  2. Dr. Mann G., M.Sc. Mollenhauer F.; BuGG-Fachinformation Positive Wirkung von Gebäudebegrünungen (Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung); Berlin; November 2019
Das Foto zeigt ein Bootshaus mit einem aufgeteilten Satteldach: Eine Seite begrünt, die andere Seite mit Photovoltaikmodulen belegt.

Abbildung 1: Bootshaus in Avon Tyrrell (UK)
Quelle: Lee Evans, Organic roofs

Das Foto zeigt ein Bootshaus mit einem aufgeteilten Satteldach: Eine Seite begrünt, die andere Seite mit Photovoltaikmodulen belegt.

Abbildung 3: Solar-Gründach Berlin UBA
Quelle: Bundesverband Gebäudegrün (BuGG)

Umsetzungsmöglichkeiten im und am Dach

Einige Kombinationsmöglichkeiten von Photovoltaik und Begrünung im Dachbereich sollen anhand der folgenden Beispiele vorgestellt und erläutert werden.

Extensive Gründächer eignen sich sehr gut für die Kombination mit einer solartechnischen Anlage, da diese mit wenigen Zentimetern Bodenaufbau auskommen und mit widerstandsfähigen, niederwüchsigen Pflanzen beackert werden. Dadurch entstehen sowohl ein verhältnismäßig kleinerer Pflegeaufwand als auch ein vergleichsweise geringes Flächengewicht durch die niedrigere Aufbauhöhe im Gegensatz zur intensiven Dachbegrünung mit mindestens 25 cm Bodenaufbau.3 Bei einem aufgeständerten Solar-Gründach bei Flachdächern muss auf die Vermeidung der Verschattung der Solar-Module zueinander geachtet werden, entsprechend den verwendeten Systemen, auf die Neigung der Module und die Abstände der Modulreihen zueinander. Ebenso ist die Verschattung durch den Pflanzenwuchs zu bedenken, die durch die Pflanzenauswahl und Pflege gesteuert werden kann (siehe Abb. 4).

Bifaziale SolarzellenBifaziale Solarzellen Bifaziale Solarzellen sind beidseitig PV-aktiv, d.h., Vorder- und Rückseite der Zellen können Solarstrom erzeugen. Das erhöht die Leistung der Module. sind beidseitig lichtempfindlich, dadurch können sie Licht der Vorder- und der Rückseite in Strom umwandeln. Bei Modul-Aufständerungen auf Flachdächern, die ausreichend vom Boden abgesetzt sind, ist ebenso das Miteinander von Dachbegrünung und Photovoltaik umgesetzt wurden. Ein Projekt in Winterthur (siehe Abb. 4 und 5), bei dem 20-zellige Sondermodule auf dem Gründach eines Seniorenheimes installiert wurden, bietet hierzu ein anschauliches Beispiel. Dabei wurde eine schmale Ausführung der Module gewählt, um die Windlast zu reduzieren, und damit eine leichtere Unterkonstruktion zu gewährleisten.4 Im Hinblick auf die Pflege der Begrünung und der Wartung der Anlage ist eine gute Zugänglichkeit gegeben.

Beim Neubau eines Produktions- und Verwaltungsgebäudes, dem Headquarter der Solon SE in Berlin Adlershof (siehe Abb. 6 und 7), sind die Dachflächen aufgeteilt. Das große geschwungene Dach ist an den Randbereichen, an seinen Überständen, mit einer integrierten Photovoltaikanlage belegt und bietet im Inneren ein begrüntes und teils begehbares Dach zur Erholung der Mitarbeiter.

Eine klare Aufteilung der Flächen findet auch beim Floating Office in Rotterdam statt (siehe Abb. 8 und 9). Das Satteldach wurde südseitig vollflächig mit einer etwa 900 m² großen Photovoltaik belegt und die Nordseite wurde komplett begrünt.

Eine weitere Variante für die Umsetzung von Photovoltaik und Gründach zeigt das österreichische Konzept eines stromerzeugenden Dachgartens. Dort wurden drei Nutzungen zusammengeführt: Energieproduktion, Grünraumfunktion und die Nutzung durch den Menschen. Dabei funktioniert der PV-Dachgarten als erweiterter Lebensraum für Menschen und Tiere.5

Quellenangaben

  1. Optigrün international AG; Begrünungsarten: Extensive und intensive Dachbegrünung; 2022
  2. Dr. Nussbaumer H., Dr. Klenk M.; Vertikale bifaziale Module auf Dächern; September 2020
  3. BOKU Universität für Bodenkultur Wien; PV-Dachgarten Planungshandbuch, Februar 2016

Abbildung 2: Möglichkeiten zur Kombination von Photovoltaik und Begrünung
Quelle: BIPVBIPV Abkürzung, vom englischen "Building Integrated Photovoltaic", eingedeutscht als "Bauwerkintegrierte Photovoltaik" (eigentlich Gebäudeintegrierte Photovoltaik GIPV)-Initiative

Das Foto zeigt die senkrecht stehenden bifazialen Module auf einem Gründach.

Abbildung 4: Grün und Photovoltaik auf dem Dach der Residenz Eichgut / ZHAW Forschungsanlage Winterthur (CH)
Quelle: Energie und Umweltforum, Verein SolarSpar, Megasol

Das Foto zeigt die senkrecht stehenden bifazialen Module auf einem Gründach.

Abbildung 5: Grün und Photovoltaik auf dem Dach der Residenz Eichgut / ZHAW Forschungsanlage Winterthur (CH)
Quelle: Energie und Umweltforum, Verein SolarSpar, Megasol

Das Bild präsentiert das geschwungene Dach, bei dem die Dachüberstände mit Photovoltaikmodulen belegt wurden und die Bereiche im inneren des Daches begrünt wurden.

Abbildung 6: Solon SE
Quelle: Solon SE, Manfred Jarisch

Ein Blick aus der Froschperspektive durch eine Photovoltaik-Überdachung.

Abbildung 7: Solon SE
Quelle: Solon SE, Manfred Jarisch

Im Rotterdamer Hafenbecken (Rijnhaven) wird das „Floating Office“ per Schlepper an seine Position gebracht. Dabei ist das Satteldach halbseitig begrünt und halbseitig mit Photovoltaikmodulen belegt.

Abbildung 8: Floating Office Rotterdam
Quelle: Powerhouse Company / Sebastian van Damme  Marcel IJzerman

Das Bild zeigt den Dachabschluss mit Begrünung.

Abbildung 9: Floating Office Rotterdam
Quelle: Powerhouse Company / Sebastian van Damme  Marcel IJzerman

Der Blick unter dem mit Photovoltaik belegten Dachgarten.

Abbildung 10: PV-Dachgarten
Quelle: Bocu, Irene Zluwa, Trebersburg und Partner Architekten

Das Foto zeigt die aufgeständerten Photovoltaikmodule und deren Konstruktion auf einem Hausdach.

Abbildung 11: PV-Dachgarten
Quelle: Bocu, Irene Zluwa, Trebersburg und Partner Architekten

Umsetzungsmöglichkeiten in der Gebäudefassade

Je nach Gebäudehöhe kann die Fassadenfläche die überbaubare Bodenfläche weit übersteigen. Das Potenzial der Fassaden eignet sich nicht nur bei Bauwerken mit großem Wand-Dach-Verhältnis, auch bei niedriggeschossigen Häusern erschließen sich Vorteile, wie u. a. die gemeinsame Nutzung derselben baulichen Konstruktion und die Funktionsübernahme von feststehenden Systemen wie beispielsweise Sonnen- oder Sichtschutz. Bei der Fassadenbegrünung wird zwischen bodengebundener und fassadengebundener Begrünung unterschieden. Die bodengebundene Begrünung ist charakteristisch durch die verwendeten Pflanzen – „Kletterpflanzen“, die eine direkte Verbindung zum Boden haben. Fassaden- bzw. wandgebundene Begrünung bilden auch gleichzeitig die Außenwandfassade und ersetzen dabei andere Materialien.6

Das Smart Material House vereint begrünte Fassadenelemente als sommerlichen Wärmeschutz und Photovoltaikmodule, die die Brüstungselemente der Balkone bilden.7

Der Neubau des Plusenergiegebäudes von Drees und Sommer kombiniert auf dem Dach und an der Südfassade Photovoltaikmodule mit einer begrünten Nordfassade.

Ein weiteres Beispiel bildet der Bau des Sportzentrums Turó de la Peira‘s. Dabei wurde die zur Straße ausgerichtete, geschlossene Fassade im urbanen Charakter gestaltet. Die Grünfassaden öffnen sich zum Innenhof und treten mit dem angrenzenden Garten in einen Dialog. Das nach Passivhausstandards entworfene Gebäude wurde im Dachbereich vollflächig mit Photovoltaikmodulen belegt.

Quellenangaben

  1. Dipl.-Ing Pfoser N.; FBB; Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.v.; Grüne Innovation Fassadenbegrünung; 2011
  2. IBA Hamburg GmbH; Roedel C.; Petersen J.-P.; Smart Material House; Smart ist Grün; Juni 2013
  3. Wiesneth B.; Blaupause für nachhaltiges Bauen: Drees & Sommer eröffnet grünes und digitales Bürogebäude für den Eigenbedarf; Stuttgart; Dezember 2021
  4. Noguera A.; Polideportivo y ordenación interior de manzana en el Turó de la Peira; Plataforma Arquitectura; 2019
Anhand der Grafik werden fünf Möglichkeiten zur Kombination von Photovoltaik und Begrünung im und am Dach skizziert.

Abbildung 12: Möglichkeiten zur Kombination von Photovoltaik und Begrünung
Quelle:
BIPV-Initiative

Das Bild zeigt die Fassade, des Smart Material Housees, welches Begrünung und Photovoltaik kombiniert.

Abbildung 13: Smart Material House mit Photovoltaikbrüstungen und Rankelementen
Quelle:
zillerplus Architekten

Ein Foto der Nordfassade zeigt die Grünfläche.

Abbildung 14: Drees & Sommer Innovationsgebäude „Obere Waldplätze 12“ (OWP12)
Quelle:
Drees & Sommer / Maximilian Schwarz

Der Blick auf die Photovoltaikfassade in einer Detailaufnahme vom Boden in Richtung Himmel fotografiert.

Abbildung 15: Drees & Sommer Innovationsgebäude „Obere Waldplätze 12“ (OWP12)
Quelle:
Drees & Sommer / Maximilian Schwarz

Abbildung 16: Drees & Sommer Innovationsgebäude „Obere Waldplätze 12“ (OWP12)
Quelle:
Drees & Sommer / Maximilian Schwarz

Abbildung 17: Grünfassade des Sportzentrums Turó de la Peira‘s
Quelle:
Enric Duch

Abbildung 18: Grünfassade des Sportzentrums Turó de la Peira‘s
Quelle:
Enric Duch

Fazit

Die Synergien von Photovoltaik und Begrünung wurden eingangs erläutert. Mit dem kleinen Auszug an Praxisbeispielen soll die Vielzahl an Möglichkeiten verdeutlicht werden, Begrünung und Photovoltaik in Einklang zu bringen. Die Auswahl soll einen Einblick in bereits umgesetzte Projekte bieten, um Anregungen und Denkanstöße zu geben, da sich Photovoltaik und Begrünung nicht ausschließen, sondern sich sehr gut ergänzen können.

Eine Kombination von Photovoltaik und Begrünung auf einer Fläche führt in der Regel dazu, dass insgesamt geringere Energieerträge aus dem vorhandenen Flächenpotenzial gewonnen werden können. Bei der Konzeption sollte daher immer eine individuelle Abwägung der Wirkung von Begrünung im lokalen Kontext erfolgen.