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  • C – BIPV im Planungsprozess
  • C1.1: Flächenpotenziale für BIPVBIPV Abkürzung, vom englischen "Building Integrated Photovoltaic", eingedeutscht als "Bauwerkintegrierte Photovoltaik" (eigentlich Gebäudeintegrierte Photovoltaik GIPV)

PV-Potenzial an Gebäuden in Deutschland

Auf dem Weg zu einem erneuerbaren Energiesystem werden für die Photovoltaik weitere Flächen benötigt. Im Referenzszenario der Studie „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“ [1] ergibt sich für 2045 eine erforderliche installierte PV-Leistung von 429 GW und ein PV-Stromertrag von 447 TWh. Unter Annahme eines Wirkungsgrades von 20 % entspricht dies einer Fläche von 2.145 km². Welchen Anteil dieses Bedarfs können Gebäudehüllflächen (Dächer und Fassaden) decken? Die Beantwortung dieser Frage erfordert zunächst eine genaue Kenntnis des landesweiten Gebäudebestands. Verschiedene Studien haben die Gebäudehüllflächen für den gesamten Gebäudebestand Deutschlands mit unterschiedlichen Methoden quantifiziert. Auch wenn sich die Ergebnisse im Detail unterscheiden, ergibt sich immer wieder die gleiche Grundaussage: Gebäudehüllflächen können einen sehr großen Anteil der erforderlichen PV-Fläche bereitstellen. Die aktuelle Analyse des Fraunhofer ISE im Rahmen der Forschungsprojekte Standard-BIPV und Standard-BIPV-System gemeinsam mit dem Institut für Ökologische Raumentwicklung IÖR in Dresden kommt zu den in Abbildung 1 dargestellten Ergebnissen [2]. Die Bruttofläche aller Gebäudehüllen beträgt knapp 18.000 km². Davon entfallen etwa ein Drittel (ca. 6.000 km²) auf Dächer und etwa zwei Drittel auf Fassaden (ca. 11.700 km²). Unter Berücksichtigung einer Reihe von Abschlagsfaktoren (für Fensterflächenanteile, für stark verschattete Flächen, für Nordfassaden, für technische Aufbauten auf Dächern, für zu kleine Teilflächen) ergibt sich daraus eine potenziell installierbare PV-Modulfläche von ca. 4.571 km² (Dächer: 1.849 km², Fassaden: 2.722 km²). Bei Nutzung von heutigen, effizienten c-Si-Modulen mit einem Wirkungsgrad von 20 % entspricht dies einer installierbaren Leistung von 914 GW (Dächer: 370 GW, Fassaden: 544 GW) und einem potenziellen Jahresertrag von ca. 620 TWh. Dies liegt über den benötigten 449 GW PV-Leistung bzw. über den 447 TWh Energie aus PV, die ein vollständig regeneratives Energiesystem in Deutschland benötigt.

Quellenangaben

  1. Philip Sterchele, Julian Brandes, Judith Heilig, Daniel Wrede, Charlotte Senkpiel, Markus Haun, Patrick Jürgens, Christoph Kost, Thomas Schlegl, Andreas Bett, Hans-Martin Henning; Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem – Die deutsche Energiewende im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen; Fraunhofer ISE, 13. Februar 2020 | Update: 15. Dezember 2020 | Update Klimaneutralität 2045: 12.November 2021
  2. Eggers et al., Standard-BIPV – Entwicklung einer vorgefertigten Standard-BIPV-Fassade für ausgewählte Bauwerkskategorien in Deutschland für die energetische Sanierung des Gebäudebestandes und Bereitstellung von erneuerbarer Energie vor Ort, Schlussbericht, 2022
Die Abbildung zeigt ein Säulendiagramm zu den Dach- und Fassadenflächen sowie dem BIPV-Potenzial am gesamten Gebäudebestand Deutschlands.

Abbildung 1: Überblick Dach- und Fassadenflächen sowie BIPV-Potenzial am gesamten Gebäudebestand Deutschlands
Quelle: Fraunhofer ISE und Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung IÖR (Forschungsprojekt Standard-BIPV)

Die Abbildung zeigt ein Säulendiagramm zur Aufteilung der Bruttofassadenflächen nach Wohngebäuden und Nichtwohnbau.

Abbildung 2: Darstellung der Gebäudehüllflächen, des davon nutzbaren PV-Potenzials und der davon erforderlichen PV-Fläche in einem 100 % erneuerbaren Energiesystem.
Quelle: Fraunhofer ISE und Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung IÖR

PV-Potenzial einzelner Gebäude und GebäudeklassenGebäudeklassen nach LBO §2, Satz 4 Gebäude werden in folgende Gebäudeklassen eingeteilt: Gebäudeklasse 1: freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² und freistehende land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude, Gebäudeklasse 2: Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m², Gebäudeklasse 3: sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m, Gebäudeklasse 4: Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m², Gebäudeklasse 5: sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude

Ausgehend von der übergeordneten Potenzialbetrachtung des landesweiten Gebäudebestandes stellt sich die Frage, an welchen Gebäuden im Einzelnen diese Flächen liegen. Abbildung 3 zeigt einen Überblick, auf welche Nutzungsklassen welche Flächenpotenziale entfallen. Zwei Nutzungsklassen stechen hervor: Wohngebäude sowie Gewerbe und Industrie.

Während Abbildung 1 und 2 das deutschlandweite Potenzial betrachten, ist für jedes einzelne Gebäude das individuelle Potenzial entscheidend. Grundsätzlich gilt, dass die meisten Gebäude eine große Vielfalt an tatsächlich für die solare Energiegewinnung geeigneten Flächen bieten. Dazu gehören die Dächer (Schrägdacher, Flachdächer, semitransparente Lichtdächer und Oberlichter), die Fassaden (Vorhangfassaden, vorgehängte hinterlüftete Fassaden, Doppelhautfassaden, Teile von Fensterverglasungen) und weitere Bauelemente wie Balkonbrüstungen, Vordächer, Verschattungselemente, Carports etc. Generell gilt: Je höher das Gebäude, desto größer wird der Anteil der Fassade. Während bei ein- oder zweistöckigen Gebäuden häufig die Dachfläche einen sehr großen Anteil des Gebäudeenergiebedarfs decken kann, muss bei mehrstöckigen Gebäuden auch die Fassadenfläche stärker in Betracht gezogen werden. Je feinteiliger Gebäudehüllflächen fragmentiert sind, desto geringer wird das Potenzial für PV. Große zusammenhängende Dach- oder Fassadenflächen besitzen in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht das größte Potenzial. Diese können z. B. bei Gewerbe- und Industriebauten vorliegen, aber auch in anderen Gebäudenutzungsklassen, z. B. landwirtschaftlichen Gebäuden oder Sportgebäuden. Nichtsdestotrotz können auch kleine Teilflächen an kleineren Gebäuden, wie z. B. Balkonbrüstungen oder Vordächer, für die PV-Nutzung technisch und wirtschaftlich attraktiv sein.

Die Abbildung zeigt ein Säulendiagramm zur Aufteilung der Bruttofassadenflächen nach Wohngebäuden und Nichtwohnbau.

Abbildung 3: Gebäudehüllflächen Gesamtbestand nach Nutzung – LoD1 – DE2019
Quelle: Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung IÖR (Forschungsprojekt Standard-BIPV)

Die Abbildung zeigt ein Säulendiagramm zur Aufschlüsselung der Bruttodach- und  fassadenflächen des Nichtwohnbaus auf verschiedene Nutzungskategorien.

Abbildung 4: Aufschlüsselung der Bruttodach- und fassadenflächen des Nichtwohnbaus auf verschiedene Nutzungskategorien.
Quelle: Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung IÖR (Forschungsprojekt Standard-BIPV)

Fazit

  • Gebäudehüllen können einen signifikanten Beitrag zum Gelingen der Energiewende liefern. Die für PV nutzbaren Flächen an Gebäudehüllen übersteigen sogar den Bedarf an PV-Fläche, die in einem zukünftigen 100 % erneuerbaren Energiesystem in Deutschland benötigt wird.
  • 60 % des Potenzials an PV-Leistung liegen auf Dächern, 40 % an Fassaden. Insbesondere bei höheren Gebäuden und bei konkurrierender Dachnutzung können Fassaden zunehmend eine wichtige Rolle spielen.
  • Insgesamt liegen in etwa ähnlich große Flächenpotenziale an Wohngebäuden und Nichtwohngebäuden vor. Unter den Nichtwohngebäuden weisen vor allem Industrie- und Gewerbebauten große Potenziale auf.
  • Für die Umsetzung im konkreten Fall muss eine individuelle Betrachtung des Einzelgebäudes erfolgen. Nahezu jedes Gebäude weist für PV technisch sinnvoll nutzbare PV-Flächen auf.