B6 – Blendung durch
Photovoltaik-Anlagen

Einführung

Fällt Sonnenlicht auf große, spiegelnde Gebäudeoberflächen, kann die Reflexion bei umliegenden Beobachter:innen Blendung verursachen.

Ein Beispiel hierfür ist die Universitätsbibliothek in Freiburg im Breisgau, wie auf Abbildung 1 zu sehen. Die Fassaden aus Glas und Stahl reflektieren das Sonnenlicht bei einigen Sonnenständen in solch einem Ausmaß, dass die Verkehrssicherheit gefährdet ist. Die Autofahrer:innen, Fahrradfahrer:innen und Fußgänger:innen sind so stark geblendet, dass ihre Sehleistung stark gemindert wird. Aus diesem Grund wurde zur Minderung der Reflexionen ein 250 m² großes, dunkles Tuch auf einer der betroffenen Fassadenflächen angebracht, dass die Reflexionen zu den kritischen Jahreszeiten verhindert [1]. Neben dem negativen Effekt auf die Ästhetik war die Maßnahme zur Beseitigung der Reflexion mit 90.000 € durchaus kostspielig [2]. Diese negativen Aspekte hätten verhindert werden können, wenn die Thematik tagesabhängiger Blendung auf die Umgebung (z.B. Verkehr oder Nachbarschaft) bereits in der Planungsphase berücksichtigt worden wäre.

Abbildung 1: Die aus Glas und Stahl bestehenden, blendenden Fassaden der Universitätsbibliothek in Freiburg.
Quelle: Fraunhofer ISE.

Rechtslage

Auch Photovoltaik-Module reflektieren Sonnenstrahlen ähnlich stark wie Glasfassaden, da sie an der sonnenzugewandten Seite ein Deckglas aus hochtransparentem, eisenarmem Weißglas besitzen. Da Blendung in der Planungsphase eines genehmigungsfreien PV-Projekts nur selten berücksichtigt wird, bekommt die Thematik erst dann Aufmerksamkeit, sobald die ersten Beschwerden nach der Fertigstellung laut werden. So haben auch blendende PV-Module in der Vergangenheit immer wieder zu Streitigkeiten geführt, die nicht selten vor Gericht landeten (wie z.B. LG Heidelberg, Urteil vom 15.05.2009 – 3 S 21/08; VG Augsburg, Urteil vom 05.10.2012 – Au 4 K 12.399).

Die Rechtsgrundlage zum Thema Blendung ist uneindeutig und wird unterschiedlich ausgelegt, da es keine rechtsverbindlichen Richtlinien zur Blendungsbewertung gibt. Somit gibt es auch keine Rechtssicherheit für Besitzer:innen von PV-Anlagen.

Die gesetzliche Grundlage stellt das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) dar, welches Licht und ähnliche Umwelteinwirkungen als Immission klassifiziert. Es besagt, dass Lichtimmissionen „zu den schädlichen Umwelteinwirkungen [gehören], wenn sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder für die Nachbarschaft herbeizuführen“ [3]. Für die Art, das Ausmaß und die Dauer gibt es allerdings keine verbindlichen Grenzwerte.

Blendungsbewertung

Abbildung 2: Vergleich der Sonnenreflexion an herkömmlichen Fassadenkomponenten und Bauwerkintegrierten Photovoltaik (BIPVBIPV Abkürzung, vom englischen "Building Integrated Photovoltaic", eingedeutscht als "Bauwerkintegrierte Photovoltaik" (eigentlich Gebäudeintegrierte Photovoltaik GIPV))-Modulen mit glänzender und matter Oberfläche.
Quelle: Fraunhofer ISE.

 

Zur Blendungsbewertung verfügen die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI)“ im Anhang 2 über „Empfehlungen zur Ermittlung, Beurteilung und Minderung der Blendwirkung von Photovoltaikanlagen“ [4]. Diese sind nicht rechtlich bindend, werden aber häufig für Blendgutachten herangezogen. Entsprechend dieser Empfehlungen liegt eine erhebliche Belästigung vor, wenn die astronomisch maximale, kumulierte Blendungsdauer mehr als 30 min pro Tag oder 30 Stunden pro Kalenderjahr beträgt.

Diese Werte beruhen auf Studien [5,6] zum periodischen Schattenwurf durch den bewegten Anlagenrotor von Windkraftanlagen (WKA), die für die „Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windkraftanlagen“ das LAI verwendet wurden [7]. Die Übertragbarkeit dieser Studien und Werte auf den Fall der Blendung durch PV-Anlagen wurde nicht überprüft.

Um die Blendungsdauer gemäß diesen Hinweisen zu berechnen, wird angenommen, dass die Sonne punktförmig ist, von Aufgang bis Untergang scheint und die Module nach dem Reflexionsgesetz „Einfallswinkel gleich Ausgangswinkel“ reflektieren. Diese Annahmen spiegeln nicht die Realität wider: Die Reflexion der Sonne auf den Modulen hat eine Ausdehnung, die auch von den Oberflächeneigenschaften des PV-Deckglases abhängt. Um den reflektierten Anteil des Sonnenlichts zu reduzieren und den transmittierten Anteil zu erhöhen, sind viele Deckgläser strukturiert und/oder mit Antireflexbeschichtungen versehen. Obwohl diese Entspiegelungsmaßnahmen den reflektierten Anteil reduzieren, verursachen einige davon eine Aufweitung des reflektierten Strahls und damit eine effektive Vergrößerung der Blendquelle. Dieser Effekt ist in Abbildung 2 exemplarisch und in Abbildung 3a und 3b schematisch visualisiert und kann zur Folge haben, dass der reflektierte Anteil des Sonnenlichts, der in das Auge der beobachtenden Person fällt, ausreichend reduziert wird, sodass keine Blendung mehr auftritt. Die Entspiegelungsmaßnahmen können aber auch zur Folge haben, dass durch die Strahlaufweitung aus mehr Blickrichtungen Blendung auftreten kann und damit die Dauer der störenden Blendwirkung auf den Verkehr oder die Anwohner verlängert wird. Aus diesen Gründen ist es wichtig, insbesondere die Reflexionseigenschaften der Deckgläser bei der Blendungsbewertung zu berücksichtigen.
Dies würde auch die weitere Entwicklung von Maßnahmen zur Minderung der blendenden Wirkung von PV-Modulen vorantreiben.

Abbildung 3a: Schematische Darstellung des Reflexionsverhaltens einer glatten Glasoberfläche.
Quelle: Fraunhofer ISE

Abbildung 3b: Schematische Darstellung des Reflexionsverhaltens einer strukturierten Glasoberfläche. Durch die Strukturierung der Glasoberfläche (3b Bild unten) wird der Strahl deutlich im Vergleich zur glatten Glasoberfläche (3a Bild oben) aufgeweitet.
Quelle: Fraunhofer ISE.