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  • C6.2: Statische Dimensionierung von BIPVBIPV Abkürzung, vom englischen "Building Integrated Photovoltaic", eingedeutscht als "Bauwerkintegrierte Photovoltaik" (eigentlich Gebäudeintegrierte Photovoltaik GIPV)-Elementen

C6.2 Statische Dimensionierung der BIPV-Elemente (Tragfähigkeit- und Gebrauchstauglichkeitsnachweis)

Einleitung

Anders als auf dem Dach additiv montierte Standard-PV-Module müssen bauwerkintegrierte photovoltaische Module (BIPV) mit Glasdeckschichten für die Installation in der Gebäudehülle im Dach oder an Fassaden neben den PV-typischen (elektrotechnischen) Sicherheitsstandards auch einschlägige Vorschriften und Regelwerke für Glasprodukte zur Verwendung in Gebäuden und Bauwerken erfüllen
(vgl. Kapitel 3.2 Bauordnungsrechtliche Grundlagen). Dieser Abschnitt konzentriert sich auf Module, die den überwiegenden Teil an verbauten PV-Module in der Gebäudehülle ausmachen. Auf Module ohne Einsatz von Glas wird in diesem Zusammenhang daher nicht weiter eingegangen.

Für Dachschindelsysteme mit PV bestehen keine Anforderungen nach den technischen Baubestimmungen, es sind jedoch dieselben Anforderungen wie für Tonziegel zu beachten.

Allgemeine Anmerkungen

Für Glas-BIPV-Module gelten elektrotechnische Anforderungen hinsichtlich ihrer Sicherheitsqualifikation nach der Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU (PDF) und Anforderungen an das Bauprodukt nach der Bauproduktenverordnung Nr. 305/2011 (PDF) (EU-BauPVO). Ferner sind die Vorgaben aus der Landesbauordnung (LBO) sowie der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (PDF) (VwV TB) von Baden-Württemberg für die Planung, Bemessung und Ausführung bei der Errichtung von baulichen Anlagen und Bauwerken einzuhalten (siehe Kapitel C3.2 Bauordnungsrechtliche Grundlagen).

Glas in Baukonstruktionen unterliegt aufgrund seiner spröden Werkstoffeigenschaften und seines somit hohen Risikos für spontanes Versagen ohne nennenswerte Vorankündigung besonderen Bemessungs- und Konstruktionsregeln in Deutschland (Stichwort: Normenreihe DIN 18008) zur Aufrechterhaltung eines geforderten Sicherheits- und Schutzniveaus. Insbesondere ist die Resttragfähigkeit der Konstruktion bei Glasbruch ohne nennenswerte Schadensfolgen sicherzustellen – durch die Wahl entsprechender Produkte (Laminate wie z. B. Verbund-Sicherheitsglas) oder konstruktiver (Rahmen-)Bedingungen.

Die Planung von Glas-PV-Modul und Konstruktion bestimmt den weiteren Verlauf bzgl. einer notwendig werdenden baubehördlichen Genehmigung oder auch für deren Entfall (wenn Regelkonformität vorliegt).

Unabhängig davon ist stets ein statischer Nachweis für die Tragfähigkeit (Standsicherheit) hinsichtlich der BIPV-Anlage je nach Geometrie, Standort, und auftretenden Einwirkungen (z.B. Eigengewicht, Wind, Schnee, in besonderen Fällen thermische Lasten) zu führen. Dabei muss die Beanspruchung durch Einwirkung stets kleiner gleich der Beanspruchbarkeit der Bauteile sein. Weiterhin muss gewährleistet werden, dass die Lasten einer BIPV-Anlage aus Ihrem Eigengewicht und den äußeren Einwirkungen von der baulichen Anlage sicher in den Baugrund eingeleitet werden. Gegebenenfalls ist für die auftretenden thermischen Einwirkungen bei den eingesetzten Gläsern eine gesonderte Spannungsanalyse durchzuführen.

Bei Verwendung einer Solaranlage an einer bestehenden baulichen Anlage empfiehlt sich die Anwendung „Hinweise und Beispiele zum Vorgehen beim Nachweis der Standsicherheit beim Bauen im Bestand (PDF)“, Deutsches Institut für Bautechnik.

Der in der statischen Bemessung neben dem Tragsicherheitsnachweis erforderliche Gebrauchstauglichkeitsnachweis dient u.a. dazu, Verformungen und Verschiebungen zu begrenzen, welche die Tragwerksfunktion, das Erscheinungsbild oder das Nutzer-Wohlbefinden nachteilig beeinflussen. Außerdem sollen sie auch solche Verformungen und Verschiebungen berücksichtigen, die Schaden an nichttragenden Bauteilen hervorrufen, welche sich nachteilig auf die Dauerhaftigkeit auswirken.

Besonderheiten bei PV-Modulen mit Glasdeckschichten

Glas mit seinen spröden Materialeigenschaften weist ein hohes Bruchrisiko auf. Glasbruch tritt dabei meist spontan und ohne äußere Anzeichen unangekündigt ein, z. B. ohne plastische Verformung. Daher unterliegen Glaskonstruktionen besonderen Regeln bei der statischen Bemessung und bei der konstruktiven Durchbildung der Haltekonstruktion. Die Vorgaben dienen dazu, während der vorgesehenen Nutzungsphase zuverlässig die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit gegenüber den planmäßig auftretenden Einwirkungen sicherzustellen. Sollte es dennoch zu Glasbruch kommen, sind grundsätzlich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen sollen, beschädigte Glaselemente innerhalb eines angemessenen Zeitraumes auszutauschen.

Zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Sicherheits- und Schutzniveaus in Einbausituationen und in besonders sensiblen Bereichen mit Publikumsverkehr wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, etc. werden für die Verkehrssicherheit zusätzliche Anforderungen an die Verwendung von Glasprodukten gestellt. Hierzu zählen neben den gesetzlichen Anforderungen zusätzliche Vorschriften wie die Arbeitsstättenverordnung, Anhang Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Absatz 1, Nr. 1.5 oder die Unfallverhütungsvorschriften der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung. U.a. geht es hierbei um die Verwendung von Gläsern mit sicherem Bruchverhalten wie Einscheibensicherheitsglas und Verbund-Sicherheitsglas.

Insbesondere ist die Resttragfähigkeit der Glaskonstruktion bei Glasbruch ohne nennenswerte Schadensfolgen für Leib und Leben (innerhalb oder außerhalb des Gebäudes) zu gewährleisten – beispielsweise durch die Wahl entsprechender Verbundgläser.

Das Foto zeigt beispielhaft das Bruchverhalten einer Verbundglasscheibe (hier ohne PV-Zelleinlage) im Kugelfallversuch.

Abbildung 1: Beispielhaftes Bruchverhalten einer Verbundglasscheibe (hier ohne PV-Zelleinlage) im Kugelfallversuch
Quelle: Fraunhofer CSP

Unter Resttragfähigkeit versteht man nach DIN 18008-1, Abs.3.1.2, die „Fähigkeit einer Verglasungskonstruktion im Falle eines festgelegten Zerstörungszustands unter definierten äußeren Einflüssen (Last, Temperatur, usw.) über einen ausreichenden Zeitraum (i.d.R. 24h) standsicher zu bleiben.„ Durch den Verbund mit geeigneten zäh-elastischen Zwischenmaterialen, eingebettet zwischen den Glasscheiben, kann man bei Glasbruch die Bindung von Splittern und Bruchstücken, den Verbleib der gebrochenen Verglasung als Ganzes innerhalb ihrer Auflagerung sowie in Abhängigkeit von der Einbausituation die Absturz- und Durchsturzsicherheit von – auch bereits gebrochenen – Verglasungen, erreichen.

Die Resttragfähigkeit einer Glaskonstruktion ist als Teil des gesamten Sicherheitskonzeptes nachzuweisen, entweder rechnerisch, durch die Einhaltung von konstruktiven Bedingungen bei der Befestigung bzw. Lagerung oder durch Bauteilversuche (bei Horizontalverglasungen nach DIN 18008-1, Anhang B,
mind. 50 kg/m² in 24h).

Glas-Glas-Module als auch Glas-Folien-Module werden auf der Vorderseite standardmäßig mit Glasscheiben ausgeführt, die eine erhöhte Festigkeit (sog. thermisch vorgespannte Gläser) aufweisen. Damit können in der statischen Bemessung im Vergleich zu normalfesten (Fenster-)Glasscheiben zum einen höhere Lasten in der Modulfläche und an den Modulkanten, bei gleicher Durchbiegung, abgetragen werden. Dies wiederum führt zu einer ungefähr 2 bis 3-fachen höheren Beanspruchbarkeit bzw. Robustheit, was z. B. das Glasbruchrisiko gegenüber Hagelschlag wesentlich reduziert.

Zum anderen weisen vorgespannte Gläser eine um mindestens 2,5-fache höhere sog. Temperaturwechselbeständigkeit auf. Damit werden die in Folge der solaren Einstrahlung starke Aufheizung – die nach EN 50583, Anhang A, je nach Verwendung des PV-Moduls in der Fassade, mit 75°C bis 85°C anzunehmen ist – der Module besser widerstanden. Zusätzlich sind die Gläser weniger bruchgefährdet bei z. B. ungleichmäßigen Aufheizungen der Moduloberfläche durch evtl. auftretende Verschattungen.