C6.4 Bauordnungsrechtliche Anforderungen an das Brandverhalten von BIPV-Anlagen
Beim Einsatz von BIPV-Anlagen in der Gebäudehülle (hier einzuordnen als Baustoff) werden für deren Brandsicherheit Anforderungen in Form einer bestimmten Klassifizierung des Brandverhaltens gestellt, basierend auf standardisierten europäischen oder nationalen Brandprüfungen. Unter FeuerTrutz.de wird beispielhaft eine Übersicht der Baustoffklassen nach DIN 4102-1 und DIN EN 13501-1 im Vergleich gezeigt.
Dabei ist diese Klassifizierung des Brandverhaltens nicht gleichzusetzen mit den gemäß den für die Brandsicherheit von PV-Modulen bzw. -Anlagen durchzuführenden Brandtests und Brandklassen A bis C nach DIN EN IEC 61730-2 (UL 790).
PV-Anlagen sind in den seltensten Fällen die eigentliche Ursache für Gebäudebrände. Damit dies auch bei größerer Durchdringung des Gebäudebestands mit PV-Anlagen so bleibt, sind die Hinweise für die elektrische Installation und Ausführung bzw. Auswahl von Komponenten in der Planung und Ausführung (siehe Kapitel C5.3: Elektrotechnische Details und Sicherheit) zu beachten.
PV-Anlagen an Außenwänden und Außenwandbekleidungen
Die folgenden Zitate beziehen sich auf die Landesbauordnung (LBO) und Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung (LBOAVO) von Baden-Württemberg.
§ 15 LBO legt die grundsätzlichen Anforderungen an den Brandschutz bei Gebäuden fest. Demnach müssen „bauliche Anlagen so angeordnet, errichtet, geändert und instandgehalten werden, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind“.
Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 LBO müssen verwendete Baustoffe – dazu gehören auch PV-Anlagen – mindestens normalentflammbar sein. Diese Anforderung gilt auch für PV-Anlagen in Verbindung mit anderen Baustoffen.
PV-Anlagen in nichttragenden Außenwänden und als nichttragenden Teile tragender Außenwände von Gebäudefassaden der GebäudeklassenGebäudeklassen nach LBO §2, Satz 4 Gebäude werden in folgende Gebäudeklassen eingeteilt:
Gebäudeklasse 1:
freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² und freistehende land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude,
Gebäudeklasse 2:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m²,
Gebäudeklasse 3:
sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m,
Gebäudeklasse 4:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m²,
Gebäudeklasse 5:
sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude 4 und 5, beispielsweise in einer Pfosten-Riegel-Fassade, müssen nach § 5 Abs. 1 LBOAVO aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen oder sind als raumabschließendes Bauteil zumindest aus brennbaren Baustoffen zulässig (außer bei Hochhäusern), wenn sie feuerhemmend sind.
Fenster und Türen sind hiervon ausdrücklich ausgenommen.
In Oberflächen von Außenwänden oder in Außenwandbekleidungen, wie zum Beispiel bei vorgehängten hinterlüfteten Fassaden (VHF), müssen integrierte PV-Anlagen einschließlich ihrer Unterkonstruktion die Klassifizierung „schwerentflammbar“ aufweisen und dürfen im Brandfall „nicht brennend abfallen oder abtropfen“ (§ 5 Abs. 2 LBOAVO). Um diese Klassifizierung (B1 nach DIN 4102-1) nachzuweisen müssen Brandschacht- und Streichholzprüfungen durchgeführt werden, im Falle der europäischen Klassifizierung des Brandverhaltens nach DIN EN 13501-1 (C – s2, d2) sind ein SBI-Test (SBI: Single Burning Item) und Entzündbarkeitstest durchzuführen. Bei niedergeschossigen Bauwerken, z.B. Gebäude der GebäudeklasseGebäudeklassen nach LBO §2, Satz 4 Gebäude werden in folgende Gebäudeklassen eingeteilt:
Gebäudeklasse 1:
freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² und freistehende land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude,
Gebäudeklasse 2:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m²,
Gebäudeklasse 3:
sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m,
Gebäudeklasse 4:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m²,
Gebäudeklasse 5:
sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude 1 bis 3, können unter Umständen und bei Vorlage eines schutzzielorientierten Brandschutzkonzepts geringere Anforderungen an das Brandverhalten, z.B. mit der Klassifizierung „normalentflammbar“, gestellt werden.
Bei geschossübergreifenden VHF in Gebäuden der Gebäudeklasse 4 und 5 oder bei Doppelfassaden in Gebäuden der Gebäudeklassen 3 bis 5 sind gegen die Brandausbreitung besondere Vorkehrungen zu treffen (§ 5 Abs. 3 LBOAVO).
Das Brandverhalten von Vorhangfassaden ist gemäß der dafür geltenden Produktnorm DIN EN 13830-1 zu klassifizieren.
Nach § 7 Abs. 7 Sätze 1, 2 LBOAVO gilt: „Bauteile mit brennbaren Baustoffen dürfen über Brandwände nicht hinweggeführt werden. Außenwandkonstruktionen, die eine seitliche Brandausbreitung begünstigen können, wie Doppelfassaden oder hinterlüftete Außenwandbekleidungen, dürfen ohne besondere Vorkehrungen über Brandwände nicht hinweggeführt werden.“
Weitergehende Informationen sind beispielsweise in der „Checkliste Brandsicherheit für Bauwerkintegrierte Photovoltaik-Anlagen (BIPV)“ (PDF) der Allianz BIPV e. V. und im Dokument „Technische Baubestimmungen für PV-Module als Bauprodukte und zur Verwendung in Bauarten (PDF)“ der Allianz BIPV e. V. zu entnehmen.
Weiter wird auf die FVHF-Leitlinie „Brandschutztechnische Vorkehrungen für VHF nach DIN 18516-1 (PDF)“ des Fachverbands Vorgehängte hinterlüftete Fassade (FVHF) verwiesen.
Bedachungen müssen grundsätzlich gegen eine Brandbeanspruchung von außen durch Flugfeuer und strahlende Wärme ausreichend lang widerstandsfähig sein (harte Bedachung, § 27 Abs. 6 LBO). Einzelheiten zu Anforderungen finden sich in § 9 LBOAVO.
Im Hinweispapier „Herstellung, Planung und Ausführung von Solaranlagen“ des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) aus Juli 2012 wird ausgeführt: „Gemäß Definition umfasst die harte Bedachung das Bekleidungs- und Abdichtungssystem eines Daches einschließlich evtl. vorhandener Wärmedämmschichten oder Dampfsperren, meist mit der tragenden Unterlage einschließlich des Befestigungsmaterials (Verklebung, mechanische Befestigung usw.). Aus diesem Grund gelten für in die Bedachung integrierte Solaranlagen die Anforderungen an eine harte Bedachung.“
Für die Bauart „harte Bedachung“ ist nach der VwV TB (PDF) (A 2.1.9) ein Nachweis für die Anwendbarkeit zu erbringen. Dieses umfasst i.d.R. ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis nach DIN 4102-7 oder die Klasse BROOF(t1) nach DIN EN 13501-5 bei Verwendung von Bauprodukten nach europäischen harmonisierten Spezifikationen und mindestens erforderlichen Leistungen.
Die Klassifizierung des Brandverhaltens von PV-Modulen ist auf der Grundlage von Brandprüfungen entweder nach DIN 4102-1 oder DIN EN 13501-1 durchzuführen.
Nach den Ergebnissen bisheriger Brandprüfungen können Glas-Glas-Module und Glas-Folien-Module typischerweise als Baustoffklasse B2 nach DIN 4102-1 (bzw. Klasse D und E nach DIN EN 13501-1) klassifiziert werden und halten damit die Mindestanforderung „normalentflammbar“ ohne weiteren Nachweis ein.
Für einzelne Module liegen höhere Klassifizierungen als „schwerentflammbar“ (Klasse B oder C nach DIN EN 13501-1) vor. Alternativ ist ein schutzzielorientierter Nachweis im Zusammenhang mit dem jeweiligen gebäudespezifischen bzw. schutzzielorientierten Brandschutzkonzept einzuholen.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bei der zuständigen unteren Baubehörde eine Genehmigung auf Abweichung vom Nachweis des Brandverhaltens der BIPV-Module zu beantragen, wenn entgegen den landesrechtlichen Vorschriften kein dementsprechender Nachweis für das Brandverhalten vorliegt. Dafür sollte im Vorfeld eine gutachterliche Stellungnahme eines geeigneten Brandschutz-Sachverständigen eingeholt werden, der die objektspezifischen Aspekte der Brandsicherheit im Rahmen eines schutzzielorientierten Brandschutzkonzepts bewertet unter Berücksichtigung von Gebäudeeigenschaften, Gesamtfassade und evtl. zusätzlich zu ergreifenden oder kompensierenden Maßnahmen zur Sicherstellung des Brandverhaltens der PV-Module/-Anlage selbst. Die jeweilige Entscheidung der Behörde, ob sie diese Abweichung genehmigt oder nicht, bleibt dabei abzuwarten.
Es ist ratsam, im BIPV-Planungsprozess frühzeitig einen Brandschutz-Sachverständigen einzubinden, um die bauordnungsrechtlichen Anforderungen im konkreten Bauvorhaben, die u. U. von einem schutzzielorientierten Brandschutzkonzept abhängen (können), abzuklären. Darüber hinaus wäre der Markt nach der kommerziellen Verfügbarkeit von dementsprechend geeigneten Modulen mit den Nachweisen für das erforderliche Brandverhalten zu sondieren.
c/o Architektenkammer Baden-Württemberg Danneckerstraße 54, 70182 Stuttgart