C3.3  Konstruktive Details und Anwendungsbeispiele

Einleitung

Die IntegrationIntegration Zusammenfügen und Verbinden von einzelnen Einheiten bzw. Bauelementen eines Systems zu einem komplexeren Bauteil, das die gleichen Funktionen erfüllt vom PV-Modulen in das Dach oder die Fassade eines Gebäudes erfordert passende konstruktive Lösungen. Dabei kann unterschieden werden zwischen herkömmlichen Unterkonstruktionen, die plattenförmige Bauteile – und damit auch PV-Module – aufnehmen können und neu entwickelte Systeme, die spezifische Befestigungsmöglichkeiten als Gesamtsystem anbieten. Die sich dadurch ergebenden unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten für PV-Module werden in Kapitel B3 Gestaltungsvielfalt aufgezeigt. Im Folgenden werden die konstruktiven Möglichkeiten bei der Integration von PV-Modulen in die Gebäudehülle anhand unterschiedlicher Konstruktionsweisen für Dächern und Fassaden beispielhaft vorgestellt.

Dachkonstruktionen

1.1 AufdachmontageAufdach-Montage Bei einer Aufdach-Montage montiert der Installateur die Photovoltaik-Module auf dem bestehenden Dach, befestigt diese an der Dachunterkonstruktion. Die Alternative zur Aufdach-Montage bildet die Indach-Montage.

Die verbreitetste Integrationsart für PV-Module auf schrägen Dachflächen sind die sogenannten  „Aufdachanlagen“ (siehe B3 Gestaltungsvielfalt). Sie werden über der wasserführenden Schicht des Daches angebracht und lassen sich sowohl auf Ziegeldeckungen und mineralischen Dachplatten, als auch auf diversen Metalldächern mithilfe von unterschiedlichen Systemen befestigen. Die häufigste Anwendung erfolgt auf Ziegeldächern, wie beispielsweise mit dem SingleRail-System des Herstellers K2 Systeme (siehe Abb. 1). Dieses ermöglicht die Montage mithilfe von Dachhaken, die eine sichere Befestigung ermöglichen, ohne dass eine Verschraubung in das deckende Element erfolgen muss. Ähnlich erfolgt auch die Anwendung auf Trapezblechdächern, wie etwa mit dem MiniRail-System (siehe Abb. 2). Hierbei erfolgt die Montage mithilfe eines Kurzschienensystems, deren Verschraubung in der Dacheindeckung mit gewindeformenden Dünnblechschrauben erfolgt. Bei Stehfalzdeckungen können Montageschienen über spezielle Klammersysteme völlig ohne Eingriff in die Dachkonstruktion angebracht werden. Bei all diesen additiven Ansätzen besteht die gestalterische Herausforderung, dass die Modulfläche nicht als Fremdkörper in Bezug zur Dachgestaltung wirkt. Einfache orthogonale Flächen und eine möglichst vollflächige Belegung sind hierbei hilfreich.

Die Abbildung das SingleRail System, eine Aufdachanlage für Ziegeldächer der Firma K2 Systeme.

Abbildung 1: Montage mit Dachhaken
Quelle: K2 Systems

Die Abbildung das MiniRail System, eine Aufdachanlage für Trapezdächer der Firma K2 Systeme.

Abbildung 2: Kurzschienensystem
Quelle: K2 Systems

Ein Projekt, bei dem dies sehr gut gelungen ist, stellt die Sanierung des Hof 8 in Weikersheim-Schäftersheim dar. Hier wurden die PV-Module mithilfe eines Tragprofiles auf der wasserführenden Schicht, dem Trapezblech befestigt (siehe Abb. 3). Durch die nahtlose Anbringung der Module entsteht eine homogene Dachaufsicht, die an die bestehenden umliegenden Dächer anschließt. Ein weiteres sehr gutes Beispiel mit diesem Ansatz ist die Halle Design. S. in Pullingen. Hier wurden die PV-Module direkt auf der Dachbahn des Satteldaches befestigt (siehe Abb. 4).

Das Detail zeigt das Montagesystem der PV-Module des Sanierungsprojektes Hof 8 in Weikersheim-Schäftersheim.

Abbildung 3: Dachaufbau der Sanierung des Hof 8 in Weikersheim-Schäftersheim
Quelle: Klärle Architekten

Der Schnitt durch den Dachfirst der Halle Design.S in Pullingen zeigt das Montagesystem der PV-Module auf der Dachbahn.

Abbildung 4: Dachaufbau der Halle Design.S. in Pullingen
Quelle: Deppisch Architekten

1.2 Integrierte Systeme

Alternativ zu den additiven Systemen können PV-Module auf Schrägdächern auch baukonstruktiv integriert ausgeführt werden und dadurch die Funktion als wasserführende Schicht übernehmen. Die Möglichkeiten der Integration reichen dabei von der Verwendung von großformatigen Großserienmodulen bis hin zum Einsatz von Spezialmodulen, meist „Solardachziegel“ genannt. Dieses Konzept der integrierten Anlagen lassen sich grob in drei Kategorien gliedern:

  • Standard-PV-Module mit speziellem Rahmen als Einlegesystem mit Anpassungselementen
  • Sonder-PV-Module als PV-Ziegel in Kombination mit herkömmlichen (inaktiven) Ziegeln
  • Sonder-PV-Module als eigenständiges PV-Ziegel-System mit Anpassungselementen

Ein anschauliches Beispielprojekt für die Anwendung von Standard PV-Modulen mit einem Montagerahmen ist die in Abbildung 5 zu sehende ABZ Siedlung Balberstrasse in Zürich (2016) von raumfindung architekten eth bsa sia. Das eingesetzte Photovoltaik-Indach-Montagesystem der Firma Solrif ermöglicht die Eindeckung der gesamten Dachflächen als wasserführenden Schicht. Das System besteht aus einem speziell entwickeltem Rahmen, der an jedes Standardmodul angebracht werden kann. Durch Verblechungselemente lassen sich die Modulflächen an die jeweilige Dachform flexibel anpassen. Das System kann wie bei der Anbringung herkömmlicher Ziegel direkt auf Lattung verlegt werden.

Ein Beispiel für einen klassischen Solarziegel ist das Schwarzwaldhaus in Fischbach (2013) von schaller+sternagel Architekten, welches in Abbildung 6 zu sehen ist. Das hierbei verwendete System des Herstellers BMI Braas integriert Sonder-PV-Module in das Verlegesystem von Standardziegeln. Bei dieser Anwendung besteht die Unterkonstruktion ebenfalls aus einer klassischen Lattung (siehe Abbildung 7), die Abmessungen der PV-Module sind auf das Verlegemaß der Ziegel abgestimmt. Der beim Schwarzwaldhaus verwendete Solarziegel „Braas PV Premium“ beträgt ein mehrfaches der Systemziegel, wodurch der Aufwand der elektrischen Verkabelung verringert wird und ein harmonisches Deckbild entsteht. Die Sondermodule haben an allen Seiten einen direkten Anschluss an die übliche Ziegelfalzung. So können die ungestörten Flächen mit dem Solarsystem vollflächig gedeckt werden, alle Sonderbereiche (First, TraufeTraufe Die Traufe stellt den untersten Punkt eines Daches und somit die Entwässerungs- und Belüftungsebene dar., Ortgang, Dachflächenfenster, verschattete Flächen etc.) werden mit den konventionellen Ziegeln abgedeckt (siehe Abb. 8). 

Das Foto zeigt die  ABZ Balberstrasse Siedlung in Zürich.

Abbildung 5: ABZ Balberstraße, Siedlung Zürich
Quelle: Ernst Schweizer AG

Das Foto zeigt die Südansicht des Schwarzwaldhauses in Fischbach.

Abbildung 6: Südansicht Schwarzwaldhaus
Quelle: schaller + sternagel architekten; 
Wolfgang Scheide, Konstanz

Das Foto zeigt die Montage des Solarziegels Braas Premium auf einer Holzunterkonstruktion.

Abbildung 7: Montagesystem der Solarziegel Braas Premium
Quelle: BMI Deutschland GmbH

Schwarzwaldhauses mit der Integration des Braas Solarziegels im Schnitt.

Abbildung 8: Schnittdarstellung Integration der Braas Solarziegel im Dachaufbau
Quelle: Claudia Lühling (Hrsg.), Architektur unter Strom, Berlin 2000

Neben der Kombination mit klassischen Ziegeln gibt es Systeme, die vom Ziegelmaß unabhängige Solarmodule mit regendichten Randbereichen verwenden. Ein solches PV-Ziegelsystem kam bei dem Wohnhaus B in Stuttgart (2016) von Yonder Architekten zum Einsatz (siehe Abb. 9). Das integrierte Solardachsytem der Firma Sunstyle verwendet Solarplatten, die mit verschiedenen Oberflächen verfügbar sind. Die schuppenartige Erscheinung der Solarziegel erinnert durch die Drehung um 45° an traditionellen Schiefer- und Schindeldächer und ermöglicht durch ihr Verlegungsprinzip eine optimale Dichtheit und Stabilität des Daches. Die quadratischen Ziegel mit Abmessungen von 870 mm x 870 mm werden überlappend auf der kreuzweise montierten Holzlattung verlegt und verschraubt (siehe Abb. 10). Die elektrische Verbindung erfolgt wie bei allen Systemen über einfache Stecker. Um eine homogene Dachansicht zu erhalten, werden Teilstücke oder inaktive Flächen mit Metallelementen ausgeführt, die vor Ort zugeschnitten werden können.

Das Foto zeigt das Wohnhaus B in Stuttgart.

Abbildung 9: Außenperspektive von Haus B in Stuttgart
Quelle: Brigida González, Yonder Architekten

Das Foto zeigt die Montage des  SunStyle-Solardachsytems.

Abbildung 10: Montage des SunStyle Solardachsystem
Quelle: Thomas Stark

Das Foto zeigt das begrünte Flachdach mit PV-Anlage des Biocubes in Leipzig.

Abbildung 11: Blick auf das Flachdach vom Biocube in Leipzig | Gründach mit Solarsystem
Quelle: ZinCo GmbH

Die Abbildung zeigt den Aufbau des Solarsystem „SolarVert“ für die Anwendung auf begrünten Flachdächern.

Abbildung 12: Aufbau Solarsystem „SolarVert“
Quelle: ZinCo GmbH

1.3 Flachdachsystem

Neben der Integration auf Schrägdächern lassen sich Solaranlagen auch mit begrünten Flachdächern kombinieren, ohne dass die ökologische Leistungsfähigkeit der Dachbegrünung im Hinblick auf Speicherfähigkeit und Verdunstungskühlung eingeschränkt wird. Auf dem Flachdach des Biocubes in Leipzig (2013) von Sprengler-Wieschloek Architekten wurde dies beispielsweise mit dem Solarsystem „SolarVert“ von ZinCo umgesetzt (siehe Abb. 11). Die Dachbegrünung hat dabei auch Vorteile für die PV-Module, da die Begrünung zu einer kühleren Dachoberfläche im Vergleich zu einem mit Kies bedeckten Dach beiträgt und steigert dadurch die Leistung der Module. Die Substratschicht bildet die notwendige Auflast zur Windsogsicherung der Solaranlage, eine Durchdringung der Abdichtungsfolie ist in der Regel nicht erforderlich.

Das System besteht aus einem Grundrahmen aus Aluminium, auf dem die Solar-Module in idealer Neigung und mit genügend Abstand zur Begrünung montiert werden können. Diese ist wiederum auf einem Basiselement platziert, welches auf der darunter liegenden vlieskaschierten Dränageebene beliebig platziert werden kann (siehe Abb. 12). Dadurch ermöglicht das System eine hohe Flexibilität bei der Belegung von Dachflächen und kann geometrisch vielfältig eingesetzt werden.

Fassadensysteme

Das Bestreben, möglichst viele Flächen eines Gebäudes für die Energiegewinnung nutzen zu können, bringt verstärkt die Fassadenflächen für die Integration von Photovoltaik ins Blickfeld. Zudem haben Fassadenflächen aufgrund ihrer Ausrichtung und ihres daraus resultierenden Ertragsprofils oftmals Vorteile für die Eigennutzung des Solarstroms im Gebäude. Die dafür verwendbaren Fassadensysteme unterscheiden sich grundsätzlich nicht von herkömmlichen Montagearten für die Befestigung von Gläsern oder plattenförmigen Fassadenelementen.

Ein Projekt, dass die Integration von PV-Modulen in die Fassaden mit sehr hohem ästhetischem Anspruch umgesetzt hat, ist das Gebäude „Westspitze“ in Tübingen (2020) von ackermann + raff Architekten (siehe Abb. 13). Aufgrund des Ziels einer homogenen Fassadengestaltung wurde das PV-Modul SKALA des Herstellers Avancis ausgewählt. Dieses ist rahmenlos und weist als Dünnschichtmodul keine sichtbaren Zellstrukturen auf (C3.1 Informationen zu verfügbaren Produkten). Das Montagesystem von Avancis verfügt über rückseitig verklebte Schienen (Backrail), die eine nicht sichtbare Befestigung als vorgehängt-hinterlüftete Fassaden ermöglichen und gleichzeitig eine nahtlose Integration des Moduls in die Gebäudehülle fördern (siehe Abb. 14). Die verwendeten Module sind eingebunden in eine Aluminiumfassade im Bronzeton. Um eine einheitliche Wirkung zu erzielen, wurden auch die Glasoberflächen der Module in diesem Farbton beschichtet, sodass diese je nach Lichteinfall dunkelbraun bis golden schimmern (siehe Abb. 15). Insgesamt sind 634 Solarmodule in die Fassade integriert und erreichen damit eine Fläche von 659 m2 sowie eine Anlagenleistung von 82,42 kWp.

Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Fassadenintegration ist das PlusEnergie-Mehrfamilienhaus Oeschger in Zürich (2019) von dem Architekturbüro Patrick Pfister, Pfister + Koller (siehe Abb. 16). Durch die neben der Dachfläche zusätzliche Nutzung der Fassade für die Stromgewinnung kann das Gebäude komplett mit CO2-freiem Solarstrom versorgt werden. Alle vier Gebäudeseiten sind vollständig mit PV-Modulen in Carbon-Optik bestückt. Hierbei kamen die Solarmodule „Fine Art“ des Herstellers Megasol zum Einsatz, bei denen es sich um monokristalline PV-Module handelt, deren Glasoberflächen nach Wunsch beschichtet werden können (siehe Abb. 17). Die Montage der Module erfolgt ebenfalls mittels Backrails, welche auf der Rückseite der Module verklebt sind und in Horizontalprofile eingelegt werden.

Das Foto zeigt das Mehrfamilienhaus  Oeschger in Zürich.

Abbildung 16: Ansicht MFH Oeschger in Zürich
Quelle: Megasol Energie AG / Pfister + Koller

Das Foto zeigt die Solarmodule „Fine Art“ von Megasol.

Abbildung 17: Solarmodul „Fine Art“ von Megasol, Oeschger in Zürich
Quelle: Megasol Energie AG / Pfister + Koller

Das Foto zeigt die  Frontansicht des Wohnquartiers „Westspitze“ in Tübingen.

Abbildung 13: Frontansicht der Westspitze Tübingen
Quelle: Albrecht Voss, Avancis

Das Foto zeigt eine Detailansicht der nahtlosen Integration der PV-Module in die Fassade.

Abbildung 14: Detailansicht der Westspitze Tübingen
Quelle: Albrecht Voss, Avancis

Die Abbildung zeigt die Isometrie, den Aufbau der Fassade der Westspitze in Tübingen.

Abbildung 15: Isometrie der Konstruktion, Fassade Westspitze Tübingen
Quelle: a+r Architekten