• Startseite
  • C – BIPV im Planungsprozess
  • C6.1: Konstruktive Anforderungen bei der IntegrationIntegration Zusammenfügen und Verbinden von einzelnen Einheiten bzw. Bauelementen eines Systems zu einem komplexeren Bauteil, das die gleichen Funktionen erfüllt

Definition von PV-Modulen und mögliche solare Flächen in der Gebäudehülle

Bei der Planung von solar nutzbaren Flächen stehen mit der Integration von PV-Modulen in die Gebäudehülle bei jedem Entwurf individuell ästhetisch bzw. gestalterische, geometrische und identitätsstiftende Merkmale im Vordergrund, für die Stromerzeugung hauptsächlich die EnergieeffizienzEnergieeffizienz bzw. Potenzialausschöpfung. Letztere ist dabei stark von Standort, Orientierung, Gebäudegeometrie und Verschattungssituationen abhängig.

Vielfältig können die PV-Elemente in der Gebäudehülle neben der zusätzlichen Stromerzeugung ihre eigentliche Funktion wie den Witterungs-, Lärm-, Wärme- und Sonnenschutz übernehmen. Dieses kennzeichnet bauwerkintegrierte PV-Module (BIPVBIPV Abkürzung, vom englischen "Building Integrated Photovoltaic", eingedeutscht als "Bauwerkintegrierte Photovoltaik" (eigentlich Gebäudeintegrierte Photovoltaik GIPV)). Zusätzlich können sie zur Aufnahme von äußeren statischen bzw. dynamischen Einwirkungen und zur Erfüllung von besonderen Sicherheitsaspekten (z. B. Absturzsicherung, Einbruchschutz) dienen sowie an transparenten Flächen in Abhängigkeit von der Einbausituation auch einen Beitrag zur Verschattung, Lichtlenkung und zum Blendschutz leisten.

Insgesamt ergeben sich aus der Anwendung für die jeweilige Modulausführung und Konstruktion elementare Unterschiede für die jeweils zu erfüllenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften, was schon in der Planung frühzeitig zu berücksichtigen ist (vgl. Kapitel 3.2 Bauordnungsrechtliche Grundlagen ). Abbildung 1 zeigt beispielhaft Flächen der Gebäudehülle, die sich für PV-Anwendungen eignen. Unterschieden werden Befestigungen in der Vertikalen und Horizontalen mit verschiedenen Neigungswinkeln.

Die Grafik zeigt Flächen in der Gebäudehülle, die sich zum Beispiel für eine solare Aktivierung eignen.

Abbildung 1: Flächen in der Gebäudehülle, die sich zum Beispiel für eine solare Aktivierung eignen
Quelle: Nachhaltigkeit gestalten, Bayrische Architektenkammer, München, 2018, S. 75

Konstruktive Befestigung und dabei wichtige Parameter

Für die Befestigung von PV-Modulen im Dach (z. B. integriert als Dachschindeln) bzw. auf dem Dach (z. B. in aufgeständerter Montage) sowie in der Fassade, können i. d. R. bekannte Befestigungslösungen wie für konventionelle Glaselemente verwendet werden, wie in Abbildung 2 dargestellt. Dabei sind für die Glasmodule und Befestigungselemente stets die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VwV TB) von Baden-Württemberg für die Planung, Bemessung und Ausführung zu beachten.

Bei der konstruktiven Integration von BIPV-Modulen bzw. -Anlagen in die Gebäudehülle ergeben sich im Allgemeinen keine bedeutsamen technischen Schwierigkeiten. Kommerzielle (Befestigungs-)Lösungen sind verfügbar, jedoch besteht die Herausforderung in der interdisziplinären Planung durch mehrere Gewerke und den daraus entstehenden Schnittstellen. Somit entsteht Klärungsbedarf bei den Verantwortlichkeiten, anrechenbaren Kosten und bei Fragen der Gewährleistung. Hinzu kommt eine gewisse Unerfahrenheit bei einzelnen Akteuren im Hinblick auf die Marktverfügbarkeit von Komponenten und dem Zusammenspiel von Komponenten in einem BIPV-System aus mehreren Modulen und WechselrichterWechselrichter Der Wechselrichter wandelt die Gleichspannung der PV-Module in Wechselspannung um. Dadurch kann die Solarenergie im Hausnetz verwendet oder auch ins öffentliche Netz eingespeist werden.(n). Des Weiteren liegen bei den bauordnungsrechtlichen Regularien in Deutschland komplexe und in der Praxis z. T. nur schwer verständliche Zusammenhänge vor. Diese verhinderten oft eine schnelle, zuverlässige und kosteneffiziente Planung und Installation von BIPV-Anlagen.

Bei Verwendung gerahmter Module können die Anforderungen in Baden-Württemberg (Deutschland) bei ausreichend steif konstruierten Modulrahmen, welche eine ebene, allseitig linienförmige Lagerung im Regelungsbereich der Norm darstellen, erfüllen. In der Regel ist der Rahmen von Standardmodulen dafür ungeeignet und erfordert entsprechend viele Haltepunkte auf der ausreichend steifen Unterkonstruktion.

Abbildung 3: Hinweis darauf, dass Alu-gerahmte Standard-PV-Module nicht zwangsläufig die Anforderungen an eine geregelte Lagerung von Glaskonstruktionen erfüllen.

Ein als Überkopfverglasung und in der Fassade als Vertikalverglasung eingesetztes Glas-PV-Modul muss wegen seines spröden Materialverhaltens in Abhängigkeit von der Konstruktion über eine ausreichende Resttragfähigkeit (siehe näheres dazu im Kapitel: C6.2 Statische Dimensionierung der BIPV-Elemente) bzw. ein sicheres Bruchverhalten im Sinne der Normenreihe DIN 18008 verfügen. Die jeweilige Anforderung unterliegt für vertikal eingebaute BIPV-Module anderen Kriterien als bei deren horizontalem Einbau.

In DIN EN 50583-1 werden einzelne Befestigungskategorien (A–E) für in die Gebäudehülle befestigte PV-Module, u. a. bestehend aus Glas, untergliedert. Abbildungen 5 und 6 zeigen eine Erweiterung dieser Befestigungstypologien mit dem Ziel, anhand von grafischen Symbolen eine schnelle Übersicht für die Hauptunterschiede in den jeweiligen Anforderungen in den unterschiedlichen fünf Kategorien zu erhalten. Häufige Planungs- und Verständnisprobleme in der Praxis treten vor allem aufgrund von vielschichtigen im Bauwesen vorhandenen, insbesondere hier glasspezifischen Anforderungen mit den folgenden drei Schwerpunkten auf: a) Resttragverhalten im Innenbereich (im Versagensfall dürfen Glasbruchstücke nicht ins Gebäudeinnere fallen), b) Durchbruch- oder Durchsturzsicherheit (Personen dürfen nicht aus dem Gebäude oder vom Dach ins Gebäude stürzen) und c) Resttragverhalten im Außenbereich (im Versagensfall müssen Bruchstücke der PV-Verglasung an Ort und Stelle verbleiben und dürfen nicht heraus- bzw. herunterfallen).

In Abhängigkeit von der Anwendung und Einbauhöhe über Verkehrsflächen wird in einzelnen Normenteilen von DIN 18008 definiert, welche Glaskonstruktionen allgemein geregelt als resttragfähig gelten. Dieses hängt jeweils ab vom Glasaufbau bzw. von der Glasart – ob z. B. Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) nach DIN EN 12150, Verbundglas (VG) oder Verbund-Sicherheitsglas (VSG) nach DIN EN 14449 – und der Lagerungsform – ob z. B. (allseitig) linienförmig oder punktförmig gehalten. Bei Abweichung von den Regelungen ist die Resttragfähigkeit bzw. das (Nach-)Bruchverhalten der Glaskonstruktion für den vorgesehen Anwendungsfall rechnerisch (bei teilweise intakten Scheiben) oder mittels Bauteilversuchen nachzuweisen. Alternativ dürfen geeignete konstruktive Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass Verkehrsflächen nicht durch herabfallende Glasteile gefährdet werden.

Abbildung 4: Einflussfaktoren auf das Resttragverhalten von Glaskonstruktionen

Die Tabelle stellt Befestigungskategorien für Glas-Glas-PV-Module (in Erweiterung zu DIN EN 50583 und IEC 63092) und dazugehörige Anforderungen an die jeweiligen Sicherheitseigenschaften in Deutschland dar.

Abbildung 5: Befestigungskategorien für Glas-Glas-PV-Module (in Erweiterung zu DIN EN 50583 und IEC 63092) und dazugehörige Anforderungen an die jeweiligen Sicherheitseigenschaften in Deutschland
Quelle: Ensslen, F., Kuhn, T.E.: Bauordnungsrechtliche und konstruktive Anforderungen für bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV), Volume 4, Issue 5, Special Issue: Glasbau, Wiley Online Library, 2021

Die Tabelle stellt als Fortsetzung von Abbildung 5 Befestigungskategorien für Glas-Glas-PV-Module und dazugehörige Anforderungen an die jeweiligen Sicherheitseigenschaften dar.

Abbildung 6: Befestigungskategorien für Glas-Glas-PV-Module und dazugehörige Anforderungen an die jeweiligen Sicherheitseigenschaften als Fortsetzung von Abbildung 5
Quelle: Ensslen, F., Kuhn, T.E.: Bauordnungsrechtliche und konstruktive Anforderungen für bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV), Volume 4, Issue 5, Special Issue: Glasbau, Wiley Online Library, 2021

Die zuvor genannten glasspezifischen Anforderungen können unter Umständen im Konflikt mit den energetischen und elektrotechnischen Leistungseigenschaften stehen. Daher ist es ratsam, mit dem auf die Gegebenheiten abgestimmten, finalisierten Glasmodul-Design während des Planungsprozesses frühzeitig eine entsprechende Machbarkeitsanalyse und Potenzialabschätzung für die gesamte BIPV-Anlage durchzuführen.

Bei der konstruktiven Integration von PV-Anlagen in die Gebäudehülle ist es des Weiteren erforderlich, die an jedem Modul angeschlossenen elektrischen Leitungen und Komponenten, z. B. Anschlussdosen und Leistungsoptimierer zu berücksichtigen. Dies kann insbesondere auf die Unterkonstruktion Auswirkungen hinsichtlich Ästhetik und Brandsicherheit haben. Für alle Installationsformen existieren verschiedene Lösungen für die elektronischen Komponenten. Dabei bestimmt der Detaillierungsgrad der Umsetzung von technischen Regeln die individuelle Verantwortlichkeit und Gestaltungsfreiheit bei Planern, Produktherstellern und bauausführenden Firmen.